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Mehrsprachigkeit in Krisenzeiten – eine Zwischenbilanz

In Krisensituationen wie der aktuellen kann rasche und korrekte Information Leben retten. Es stellt sich daher die Frage, wie österreichische Behörden, Medien und Institutionen dem Thema Mehrsprachigkeit während der Covid-19-Pandemie begegnen. Eine erste Recherche zeigt, dass diese Behörden, Medien und Institutionen durchaus an die vielen Menschen in diesem Land gedacht haben, die gehörlos sind oder über keine bzw. nur über grundlegende Deutschkenntnisse verfügen.

Ein Bewusstsein für die Bedeutung von Mehrsprachigkeit

Österreichische Behörden stellen professionell übersetztes bzw. gedolmetschtes Informationsmaterial in zahlreichen Sprachen bereit, von Albanisch bis Gebärdensprache. Relevante Informationen sind auch in Leichter Sprache verfügbar. Damit ist gesichert, dass Sprachbarrieren überwunden werden und Menschen nicht auf Gerüchte oder möglicherweise unrichtige Informationen zurückgreifen.

Im Folgenden findet sich eine knappe Übersicht jener Stellen, die ein mehrsprachiges Angebot der coronabezogenen Informationen liefern. Eventuell sind diese Beiträge in der eigenen translatorischen Arbeit oder im Studium nützlich. Diese Aufzählung schöpft das Angebot natürlich nicht aus und die Reihenfolge hat keine weitere Bedeutung. Ergänzungen in den Kommentaren sind daher sehr willkommen.

Darüber hinaus bietet es in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien Informationen in bosnischer, kroatischer, serbischer und türkischer Sprache zum Coronavirus an.

Dieser kurze Auszug vermittelt den Eindruck, dass allgemein ein Bewusstsein für die Bedeutung sprachübergreifender Kommunikation während der Covid-19-Pandemie in Österreich herrscht. Die Frage, ob hier durchgehend professionelle TranslatorInnen zum Zug kamen, kann und soll hier nicht beantwortet werden.

… und das Bewusstsein für den Einsatz von professionellen TranslatorInnen?

Ein kritisches Beispiel soll an dieser Stelle dennoch aufgegriffen werden. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) verweist auf seiner Webseite auf eine Übersetzungs-App, die laut Hersteller fürs Sprachenlernen während des Fernsehens konzipiert ist; derzeit könne die App in neun Sprachen übersetzen.

Mithilfe dieser App kann das Ministerium in einer Krisensituation Informationen für Betroffene schnell und einfach zugänglich machen. Ebenso ist die Idee, die dieser App zugrunde liegt, eine gute und maschinelle Übersetzung liefert für standardisierte Texte in stark nachgefragten Sprachen mittlerweile auch gute Ergebnisse.

Nichtsdestotrotz sollte es von öffentlichen, aber auch von privaten Stellen das Bestreben sein, wichtige Informationen professionell anzubieten; in diesem Fall also ausgebildete ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen für die translatorische Arbeit heranzuziehen. Darüber hinaus verabsäumt das Ministerium es, auf die Grenzen und Gefahren maschineller Übersetzungen hinzuweisen. Auch vermittelt es der breiten Öffentlichkeit den Eindruck, dass professionelle translatorische Leistung ohne Beiziehung menschlicher Expertise machbar wäre.

Daher hat der Verband Mitte April hierzu einen Protestbrief an den Zuständigen, Generalsekretär Mag. Martin Netzer, verfasst. Die Verknüpfung zum dazugehörigen LinkedIn-Beitrag findet sich hier. Dieses Beispiel dämpft nicht zuletzt den positiven Eindruck, den die obige Aufzählung vermittelt.

Fazit

In Krisensituationen wie der aktuellen kann rasche und korrekte Information Leben retten. Es scheint, dass bei den österreichischen Behörden, Medien und Institutionen ein Bewusstsein für die Rolle von Mehrsprachigkeit für die Gesellschaft herrscht. Ob die Coronakrise ebenso ein Bewusstsein für den Einsatz professioneller TranslatorInnen zur Umsetzung einer diversifizierten Sprachenpolitik nachhaltig schärft, bleibt abzusehen.

 

von Karina Ghilea-Trummer, MA
Wien, Juli 2020

Beitragsbild: Photo by Adam Nieścioruk on Unsplash