Dolmetschen
Allgemeine Informationen
Was bedeutet eigentlich „Dolmetschen“?
Beim Dolmetschen wird ein gesprochener Text mündlich aus einer Ausgangssprache in eine Zielsprache übertragen. Die Ausgangssprache ist die Sprache, in der der Originaltext gesprochen wird. Mit Zielsprache wird die Sprache bezeichnet, in die das Gesprochene übertragen wird.
Beispiel: Sie veranstalten eine Konferenz mit Deutsch und Englisch als Arbeitssprachen. Wird nun ein deutscher Vortrag ins Englische gedolmetscht, ist Deutsch die Ausgangssprache und Englisch die Zielsprache.
Braucht man dazu einen Gewerbeschein? Ja!
Wie werden die Kosten für eine Dolmetschung berechnet?
Dolmetscherinnen und Dolmetscher stellen für ihre Arbeit je nach Dauer Halbtages- oder Ganztagessätze in Rechnung. Die Gesamtkosten der Dolmetschung sind von der Anzahl der Sprachen, der gewünschten Art der Dolmetschung, der Dauer des Einsatzes abhängig. Auch die Anreise, Verpflegung und Unterbringung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern muss – sofern der Einsatz nicht am Berufswohnsitz stattfindet – abgegolten werden. Wird ein Dolmetschauftrag abgesagt, muss mit Stornokosten gerechnet werden. Die Stornobedingungen werden üblicherweise bei Vertragsabschluss vereinbart. Eine empirische Erhebung über die am österreichischen Markt verwendeten Honorarsätze finden Sie im Honorarspiegel Dolmetschen.
Welche Arten des Dolmetschens gibt es?
Je nach Anforderungen kommt eine der folgenden Dolmetscharten zum Einsatz:
- Simultandolmetschen
- Konsekutivdolmetschen
- Flüsterdolmetschen
Was ist Simultandolmetschen?
Beim Simultandolmetschen hören die Dolmetscherinnen und Dolmetscher den mündlichen Text (Rede, Vortrag, Diskussion etc.) über einen Kopfhörer in einer schallisolierten Kabine und dolmetschen zeitgleich über ein Mikrofon in die gewünschte Zielsprache. Dieser Vorgang ist komplex und erfordert höchste Konzentration. Um eine hohe Qualität der Dolmetschung zu gewährleisten, müssen die Simultandolmetscherinnen und -dolmetscher alle 20-30 Minuten eine Pause machen. Daher sind für jede Sprache immer mindestens zwei Dolmetscherinnen und Dolmetscher notwendig, die einander ablösen. Als Dolmetschtag gilt eine maximale Arbeitszeit von acht Stunden Anwesenheit inklusive Pausen. Darüber hinausgehende Leistungen wie z. B. Überstunden werden zusätzlich abgegolten. Für Simultankabinen gelten bestimmte technische Normen. Richtlinien zur Planung und Ausführung von Simultankabinen enthalten die Normen ISO 2603 und DIN 2603 sowie das Normblatt ISO 4043-1981 „Mobile Booths and Equipment“ für transportable Kabinen.
Charakteristika des Simultandolmetschens:
- kein Zeitverlust
- beliebig viele Sprachen
- technische Ausrüstung erforderlich (Simultananlage, Tonanlage, Mikrofone, technisches Personal)
- Zahl der Zuhörerinnen und Zuhörer unbegrenzt
Was ist Konsekutivdolmetschen?
Beim Konsekutivdolmetschen wird ein gesprochener Text im Nachhinein in die Zielsprache übertragen. Ein Redebeitrag wird dabei im Ganzen oder bei schwierigen Themen in Teilen (einzelne Sätze) vorgetragen und im Anschluss gedolmetscht. Bei längeren Passagen verwendet die Dolmetscherin bzw. der Dolmetscher als Gedächtnisstütze eine spezielle Notizentechnik. Das Konsekutivdolmetschen geht mit einem erhöhten Zeitaufwand einher und ist daher eher für kleine Arbeitsgruppen, Verhandlungsrunden oder Tischreden geeignet. Es kommt auch dann zum Einsatz, wenn keine Technik vorhanden ist (z. B. bei Gericht oder Behörden).
Charakteristika des Konsekutivdolmetschens:
- keine technische Ausrüstung notwendig
- erhöhter Zeitaufwand
- nur bei zweisprachigen Veranstaltungen sinnvoll (z. B. Russisch – Deutsch)
- Zahl der Zuhörerinnen und Zuhörer unbegrenzt
- Dolmetscherin bzw. Dolmetscher benötigt einen Sitzplatz mit Schreibmöglichkeit für etwaige Notizen
Was ist Flüsterdolmetschen (Chuchotage)?
Die Wortmeldung wird zwar „simultan“, aber mit leiser Stimme ohne technische Hilfsmittel für höchstens zwei Personen gedolmetscht. Es gilt zu bedenken, dass Flüsterdolmetschen den Geräuschpegel im Saal erhöht und für DolmetscherInnen und ZuhörerInnen gleichermaßen anstrengend ist. Flüsterdolmetschen ist vergleichbar mit Simultandolmetschen unter erschwerten Bedingungen, daher benötigen Sie auf jeden Fall zwei DolmetscherInnen, die einander abwechseln. Ausgenommen sind Kurzeinsätze bis zu maximal einer Stunde. Ist die Dolmetschung für mehr als zwei Personen vorgesehen, ist außerdem eine Führungsanlage („Flüsterkoffer“) als technisches Hilfsmittel erforderlich. Eine Führungsanlage ist keineswegs ein vollwertiger Ersatz für eine Simultananlage, kann aber bei Veranstaltungen, die Mobilität erfordern (Werksführungen, Besichtigungen etc.), sehr gute Dienste leisten.
Charakteristika des Flüsterdolmetschens:
- kein Zeitverlust
- je nach Zahl der Zuhörerinnen und Zuhörer entweder ohne technische Ausrüstung oder mit Flüsterkoffer
- Dolmetscher/Dolmetscherin steht bzw. sitzt hinter oder neben der Person, für die gedolmetscht wird, und flüstert
- ist für die anderen Anwesenden störend
- üblicherweise nur in eine Sprachrichtung
- Sitzplatz, der gutes Hören für die Dolmetscherin bzw. den Dolmetscher ermöglicht
- Zahl der Zuhörerinnen und Zuhörer stark begrenzt (ein bis zwei Personen, mit Flüsterkoffer bis etwa 20 Personen)
Welche Dolmetschsituationen gibt es?
Dolmetschen wird in den verschiedensten Situationen eingesetzt: bei Konferenzen, in den Medien (Fernsehen), bei Gericht und Behörden und bei Geschäftsverhandlungen. In den letzten Jahren hat das sogenannte Kommunaldolmetschen an Bedeutung gewonnen. Damit wird das Dolmetschen für Einzelpersonen oder Familien bei Behörden, Ämtern und den Institutionen des Gesundheitswesens bezeichnet.
Wo kann ich mich in Österreich zur Dolmetscherin bzw. zum Dolmetscher ausbilden lassen?
In Österreich werden Dolmetschen und Dolmetschwissenschaften an drei Universitätsinstituten in Wien, Graz und Innsbruck gelehrt. In der Regel werden drei Sprachen (Bildungssprache bzw. A-Sprache, aktive Fremdsprache bzw. B-Sprache, passive Fremdsprache bzw. C-Sprache) studiert. Im Zuge der Umsetzung des Bolognaprozesses haben die universitären Ausbildungsstätten in Wien, Graz und Innsbruck bereits das dreiteilige Studium mit BA-, MA- und Doktoratsabschlüssen eingeführt. Aufgrund früherer Studienpläne können universitär ausgebildete Dolmetscherinnen und Dolmetscher auch die folgenden Titel tragen:
- Mag. phil. oder Dr. phil.
- Dipl.-Dolm. (für Übersetzen und Dolmetschen)
- Akad. Ü. (Kurzstudium)
Studium abgeschlossen?
Ausgebildete und aktive Dolmetscherinnen und Dolmetscher haben die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Peer-to-Peer-Verfahrens von UNIVERSITAS Austria zertifizieren zu lassen. Die genauen Zertifizierungskriterien finden Sie unter Zertifizierung im Mitgliederbereich.
Gebärdensprachdolmetschen
Was ist die Gebärdensprache?
In Österreich gibt es rund 10.000 gehörlose Menschen, deren Muttersprache die Österreichische Gebärdensprache ist, und viele weitere Personen, die die Gebärdensprache nutzen, etwa Personen mit unterschiedlichen Hörbehinderungen, Familienangehörige von gehörlosen Personen, in der Bildung und im Sozialbereich tätige Personen usw. Durch Gebärdensprachdolmetschungen und Übersetzungen in die Gebärdensprache (in der Form von Gebärdensprachvideos) werden dieser Bevölkerungsgruppe barrierefreie Kommunikation, Zugang zu Wissen sowie gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher kommen bei unterschiedlichsten Anlässen wie Amtswegen und Arztbesuchen, Aus- und Weiterbildungen, Vorträgen und Kongressen etc. zum Einsatz. Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist eine natürliche und linguistisch vollwertige Sprache mit einer eigenen Grammatik und Syntax, die in Österreich seit 2005 durch die Bundesverfassung als eigenständige Sprache anerkannt ist. Gebärdensprachen unterscheiden sich je nach Land und auch nach Region innerhalb eines Landes. Für internationale Veranstaltungen wurde daher eine Hilfssprache entwickelt, die oft als International Sign (IS) oder Gestuno bezeichnet wird. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine vollwertige Sprache handelt, bietet es doch eine Kommunikationslösung für Veranstaltungen mit gemischtem Publikum.
Wie funktioniert das Gebärdensprachdolmetschen?
Beim Gebärdensprachdolmetschen wird meist zwischen einer gesprochenen Sprache und einer Gebärdensprache gedolmetscht, in Österreich im Allgemeinen zwischen Deutsch und Österreichischer Gebärdensprache. In den meisten Situationen erfolgt die Dolmetschung simultan, d. h. gleichzeitig. Da die beiden Sprachen auf unterschiedlichen Kanälen übertragen werden, sind normalerweise keine technischen Einrichtungen, wie etwa Dolmetschkabinen, erforderlich, es sei denn es sind aufgrund der Umstände, etwa bei großen Bühnen, Mikrofon und Kopfhörer notwendig. Bei Zweiergesprächen sind Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher vorzugsweise neben dem hörenden Gesprächspartner positioniert, damit die gehörlose Person beide im Blick hat. Bei Gesprächsrunden sollte die Dolmetscherin oder der Dolmetscher der gehörlosen Person gegenübersitzen. Bei Veranstaltungen mit gehörlosen Personen im Publikum sollte die Dolmetscherin oder der Dolmetscher neben oder in der Nähe der vortragenden Person stehen, wenn es eine Bühne gibt, üblicherweise auf oder neben der Bühne.
Wie kann ich Gebärdensprachdolmetscherin bzw. Gebärdensprachdolmetscher werden?
Für hörende Personen ist Österreichische Gebärdensprache Teil des Sprachenangebots des Master-Studiums am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft der Universität Graz.
In Linz gibt es seit 2003 die 3-jährige Fachausbildung „GESDO“, wo im Herbst 2020 ein neuer Durchgang begonnen hat.
Die Universität Salzburg startete im Herbst 2019 einen berufsbegleitenden und inklusiven Lehrgang namens „Modus“, der 5 Semester umfasst und in dem hörende und taube GebärdensprachdolmetscherInnen und -übersetzerInnen gemeinsam ausgebildet werden. Bei dieser Berufsbezeichnung wird der Begriff „taub“ verwendet, während in anderen Bereichen der Begriff „gehörlos“ bevorzugt wird.
Neu seit Herbst 2020 ist eine 6 Semester umfassende Ausbildung an der FHG Innsbruck.
Ein früherer Ausbildungsweg, der nicht mehr angeboten wird, ist die berufsbegleitende Seminarreihe AchtungFertigLos (laufender Durchgang endet im Juni 2020) des einschlägigen Verbands ÖGSDV.
Gerichtsdolmetschen
GerichtsdolmetscherInnen (offizielle Bezeichnung: allgemein beeidete/r und gerichtlich zertifizierte/r Dolmetscher/in) arbeiten hauptsächlich im Auftrag von Gerichten, der Polizei und anderen Behörden. Für diesen Tätigkeitsbereich sind spezielle Kenntnisse erforderlich, daher müssen GerichtsdolmetscherInnen, selbst wenn sie ein Dolmetsch- oder Übersetzerstudium abgeschlossen haben, eine eigene Prüfung ablegen und danach ihre Zertifizierung regelmäßig (derzeit alle fünf Jahre) erneuern. Die Berufsbezeichnung „allgemein beeidete/r und gerichtlich zertifizierte/r Dolmetscher/in“ ist gesetzlich geschützt. GerichtsdolmetscherInnen sind berechtigt, beglaubigte Übersetzungen zur Vorlage bei Behörden anzufertigen und haften für die Richtigkeit dieser Übersetzungen. Sie werden auch für Privatpersonen tätig, etwa bei Notariatsakten und Eheschließungen. Die GerichtsdolmetscherInnen unter den zertifizierten UNIVERSITAS-Mitgliedern sind auf dieser Webseite mit dem Zusatz „§“ gekennzeichnet. Nähere Informationen über das Zulassungsverfahren und die Einsatzbereiche von GerichtsdolmetscherInnen finden Sie auf der Webseite des Österreichischen Verbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher (ÖVGD) unter www.gerichtsdolmetscher.at.
Schriftdolmetschen
Was ist Schriftdolmetschen?
Eine Schriftdolmetschung ist die quasi-simultane Verschriftlichung mündlicher verbaler Äußerungen, paraverbaler Äußerungen sowie etwaiger für das Verständnis der Kommunikationssituation bedeutsamer, etwa extralingualer oder prosodischer Elemente für Menschen mit Einschränkungen unterschiedlichster Art in einer spezifischen Kommunikationssituation. Schriftdolmetschen ist somit ein wichtiger Beitrag zu Barrierefreiheit, Inklusion und Integration. Dabei kann die Schriftdolmetschung innerhalb einer Sprache (intralingual, also etwa Deutsch – Deutsch) oder zwischen zwei Sprachen (interlingual, also etwa Englisch – Deutsch), in unterschiedlichen Settings (vor Ort, Online, für einen Einzelrezipienten oder für Konferenzpublikum) und unter Anwendung unterschiedlicher Methoden erfolgen. Im deutschsprachigen Raum haben sich die konventionelle Methode (unter Verwendung einer QWERTZ-Tastatur) und die Spracherkennungsmethode (dabei wird der Text mittels einer speziellen Software eingesprochen) etabliert. Nähere Informationen zu den im deutschsprachigen Raum vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten und den Einsatzbereichen von SchriftdolmetscherInnen finden Sie auf der Website des Österreichischen SchriftdolmetscherInnen-Verbandes (ÖSDV) unter www.oesdv.at.