Jubiläumskonferenz in Brasilien: preußische Pünktlichkeit mit Caipirinhas
Auf Einladung des brasilianischen Berufsverbandes ABRATES war ich in meiner Funktion als Präsidentin Ende Mai in São Paulo, um der Jubiläumskonferenz zum 45. Geburtstag des Verbandes und gleichzeitig dessen 10. internationaler Konferenz beizuwohnen. Weit abseits gängiger Südamerika-Klischees erwartete mich dort ein perfekt organisiertes und straffes (Start: 8 Uhr!) Programm, das durch Vielseitigkeit – von Remote Interpreting über Stimmbildung und Übersetzen/Dolmetschen in Korruptionsverfahren – und interaktive Elemente bestach. Nach der feierlichen Eröffnung am Freitagabend fanden am Samstag und Sonntag jeweils vier Präsentationen gleichzeitig statt (Programm über eine eigene App einsehbar), wobei in zwei Sälen Simultandolmetschung ins Englische durch Teilnehmende des Mentoring-Programms des Verbandes angeboten wurde. Ich hörte fast ausschließlich superbe Leistungen, die mit denen langjähriger Profis jederzeit mithalten konnten. Insgesamt war ich schwer beeindruckt über die Professionalität, das Engagement und den Enthusiasmus der Kolleginnen in Brasilien – ja, dort scheint unser Beruf noch stärker frauendominiert zu sein als bei uns (die männliche Delegation umfasste bei knapp 400 Teilnehmenden gefühlte 10 Männer). Nicht selten waren Kolleginnen mit drei aktiven Sprachen, darunter „near-native English“ und ausgezeichnetes Deutsch. Besonders interessant waren für mich im Gespräch mit Präsidenten Ricardo Souza und seinem Vorstandsteam etwa die Initiative ABRATES Afro, die mehr AfrobrasilianerInnen für unseren Beruf qualifizieren soll und dazu in den Favelas ansetzt – mehr dazu im nächsten Mitteilungsblatt. Auch für unsere eigene Jubiläumskonferenz am 4. Oktober konnte ich etliche Impulse mitnehmen – wobei ein über 2-tägiges Programm unsere Möglichkeiten sprengen würde. Wie das der brasilianische Verband, der weniger (!) Mitglieder als UNIVERSITAS Austria hat, auf die Beine gestellt hat, bleibt für mich ein beeindruckendes Rätsel.
Es wäre nicht Brasilien, wenn nach der Konferenz nicht fleißig gefeiert worden wäre und die eine oder andere Caipirinha die vom vielen Reden überstrapazierten Kehlen hinuntergeflossen wäre. Dessen ungeachtet waren die Konferenzräume tags darauf um 8 voll belegt. Ein Novum bei den vielen Konferenzen, die ich im Laufe der Jahre besucht hatte: Bei der Abschlusszeremonie wurden hochwertige Preise verlost, unter anderem zwei Tablets und ein Laptop!
Abgesehen von einer kleinen amerikanischen, argentinischen, kanadischen, peruanischen und spanischen Delegation kamen die meisten Teilnehmenden aus Brasilien – die Kommunikation mit meinen Kolleginnen und Kollegen lief mehrsprachig und sehr zwanglos. Übrigens: Wer schon immer mal nach Peru wollte, könnte dies mit der Konferenz des peruanischen Verbandes am 2. und 3. Mai 2020 in Lima verbinden: www.citilima.pe
Insgesamt war es für mich sehr bereichernd und ermutigend zu sehen, wie dynamisch sich unsere Branche auch anderswo entwickelt und wie viele junge und hochmotivierte Kolleginnen und Kollegen in den Startlöchern stehen. All dies stimmt zuversichtlich für die Zukunft! Obrigada, ABRATES!
von Dagmar Jenner
Fotos: (c) Dagmar Jenner
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