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Dolmetschen von Großveranstaltungen für das Fernsehen – Interview mit Alexander Žigo

Das Interview mit Ski-alpin-Star Mikaela Shiffrin, das aufgrund der missglückten Dolmetschung ihrer Aussagen für Schlagzeilen sorgte, zeigt einmal mehr: Kommunikation über sprachliche Grenzen hinweg erfolgreich zu meistern, ist kein Kinderspiel. Und schon gar nicht bei Großveranstaltungen mit Live-Übertragung im Fernsehen. Einmal mehr wird hier rasch klar, dass ausgebildeten Dolmetscher:innen in solch einem mehrsprachigen Setting eine Schlüsselrolle zukommt.

Wir durften uns heute mit Alexander Žigo, seines Zeichens etablierter Dolmetscher und langjähriger Lektor am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien, austauschen. Dabei haben wir erfahren, worauf es beim Dolmetschen für das Fernsehen im Rahmen von Großveranstaltungen wirklich ankommt.

Herr Žigo, können Sie in wenigen Sätzen zusammenfassen, welche Aufgaben auf eine Dolmetscherin bzw. einen Dolmetscher beim Fernsehen zukommen?

Als Mediendolmetscher ist es meine Aufgabe, das Publikum inhaltlich und sprachlich korrekt zu informieren. Mehr als beim Konferenzdolmetschen an sich kommt es darauf an, die Präsentation ansprechend zu gestalten — und das bedeutet, dass man auch schon mal Details weglässt, um nicht zu gehetzt zu wirken und den Time-Lag nicht zu lange werden zu lassen; gerade bei Interviews, die in beide Richtungen gedolmetscht werden, wäre ein langer Time-Lag störend.

Mit wem arbeitet man genau zusammen?

Gebucht wird man von ganz unterschiedlichen Mitarbeiter:innen. Vor Ort ist man auch immer wieder mit der Regie und den Tontechnikern in Kontakt, und es kann auch durchaus vorkommen, dass man sich bei längeren Einsätzen die Arbeit teilt — in meinem Fall üblicherweise mit einer Kollegin, da der ORF auf Voice-Matching Wert legt, allerdings nicht immer.

Wie war Ihr persönlicher Weg zum Dolmetschen beim Fernsehen?

Die bekannteste Mediendolmetscherin des Landes, Ingrid Kurz, empfahl mich in den 90er Jahren, und wir bestritten so manche US-Wahlnacht und auch viele, viele Einsätze im Rahmen von 9/11 zusammen. Zuletzt „beerdigten wir“ die Queen. Ingrid habe ich meine langjährige Arbeit als Mediendolmetscher zu verdanken.

Was macht für Sie den Reiz an dieser Tätigkeit aus?

Es ist aufregend, man hat das Gefühl, ein kleiner Teil von mitunter historischen Ereignissen zu sein, und es ist auch immer eine Herausforderung. Ganz ehrlich: Es bringt diese Arbeit neben der Anerkennung auch positive PR — doch sollte etwas schiefgehen, ist man sehr exponiert. Berufsrisiko eben.

Gibt es einen Bereich, der Sie besonders interessiert?

Ich finde in den Medien eigentlich alle Bereiche interessant — Politik (kommt sicher am häufigsten vor), Kultur, Sport, Religion, Unterhaltung. Ich könnte nicht sagen, dass mich ein Auftrag im Fernsehen schon mal gelangweilt hätte.

Welche Herausforderungen bringt Ihre Arbeit mit sich?

Große. Man muss wirklich stressresistent sein, das ist das Um und Auf. Ich habe technisch sehr herausfordernde Situationen erlebt: schlechte Tonqualität, gar kein Ton, kein Bild, wirklich problematische Redner. Solange es irgendwie zumutbar ist, muss man „liefern“, da es dem Zuschauer letztlich egal ist, ob der Dolmetscher gut hört oder nicht.

Inwieweit kann man sich inhaltlich vorbereiten? Was sollte man dabei berücksichtigen?

Ohne Vorbereitung geht gar nichts. Ob es sich nun um Wahldebatten, die Oscars, Papst-Predigten oder die Formel 1 handelt — man muss sich einlesen und auch die Redaktion nötigenfalls öfter kontaktieren, ob es nicht vielleicht doch die eine oder andere Rede, ein Skript o.dgl. gibt. Diesen Bitten wird auch immer Folge geleistet, wenn etwas greifbar ist. Doch in den meisten Fällen arbeitet man „ohne Netz“. Und gerade deshalb ist die Vorbereitung so wichtig.

Ist es mehr oder weniger Stress, beim Fernsehen live zu dolmetschen als bei anderen hochrangigen Dolmetscheinsätzen?

Ganz klar: Beim Fernsehen, weil diese Einsätze seltener stattfinden und man ungleich mehr Publikum hat.

Fällt Ihnen ein besonderer Einsatz im Rahmen Ihrer langjährigen Arbeit beim Fernsehen ein?

9/11 wird mir sicher ewig in Erinnerung bleiben, als Ingrid und ich die Türme einstürzen sahen und fassungslos waren. Auch die US-Wahlen bzw. die Oscars sind, infolge der schlafraubenden Einsatzzeiten, ungewöhnlich. Sehr unterhaltsam, aber auch stressig waren die Aufträge für den Life Ball vor Ort.

Gibt es vielleicht eine schöne Anekdote oder witzige Begebenheit, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Die witzigsten Anekdoten sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt 😉

Ich glaube — und das ist nicht besonders witzig, doch trotzdem erwähnenswert —, dass die Öffentlichkeit nicht weiß, wie wenig glamourös unsere Arbeitsumgebung ist. Egal, ob es die US-Wahlen, historische Ansprachen, Papst-Predigten oder Formel 1-Rennen sind — man sitzt in einem kleinen „Kammerl“, trägt Kopfhörer (große, schwere, nicht das, was ich sonst bei Konferenzen verwende) und hat einen oder mehrere Monitore vor sich.

Witzig waren ein paar Einsätze, als ich von den Moderator:innen gebeten wurde, etwas über die Rolle des Dolmetschers hinauszugehen und quasi mitzukommentieren. Da habe ich gemerkt, dass die Arbeit des Moderators/TV-Journalisten und Dolmetschers Ähnlichkeiten aufweist und die Vertreter:innen beider Berufsgruppen durchaus voneinander lernen können.

Noch ein Wort zum Shiffrin-Interview: Gerade weil ich weiß, dass die Arbeitsbedingungen nicht immer ideal sind und schnell mal ein unbedachtes Wort/eine Fehlübersetzung über die Lippen kommen kann, kann ich den beißenden Spott und die Häme, die sich über den Reporter ergoss, nicht nachvollziehen.

Vielen Dank für Ihre Zeit und die spannenden Einblicke in die Arbeit als Dolmetscher:in beim Fernsehen!

 

Von Marina D’Orlando

Wien, März 2023