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Bericht über das 25. Jahrestreffen des Réseau franco-allemand vom 19.–21. Oktober 2018 in Wien

Das diesjährige Treffen umfasste traditionsgemäß Vorträge zu aktuellen Themen den Beruf der Übersetzer und Dolmetscher betreffend, die in der Sprachenkombination Französisch > Deutsch > Französisch arbeiten, sowie ein Rahmenprogramm mit Besichtigungen und Führungen in der Stadt Wien.

Am Samstag, 20. Oktober, fanden im neuen Institutsgebäude der Universität Wien (Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften) an der Rossauer Lände in der spektakulären „Skylounge“ mit einem Panoramablick über die Dächer der Stadt ab 8 h 30 die Vorträge statt. Nach kurzer Begrüßung durch das Organisationsteam und Dagmar Sanjath, Generalsekretärin von UNIVERSITAS Austria – in Vertretung von Dagmar Jenner, Präsidentin von UNIVERSITAS Austria – begann die Tagung mit einem Referat der französischen Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin Josie Mély (SFT) über die Entwicklung des Übersetzens im audiovisuellen Bereich, insbesondere für das Fernsehen. Was hat sich seit dem Jahr 2004, in dem sie zu diesem Thema in Bienne ebenfalls referierte, geändert? Entgegen der allgemeinen Annahmen sind die Honorare für Untertitelung und Voice-over nicht mehr auf hohem Niveau, was auf die Globalisierung, die Verbreitung von DVDs und auf die Konkurrenzsituation im TV-Betrieb zurückzuführen ist. Die Übersetzung von Untertiteln erfordert vor allem eine starke Konzentration des Texts, wobei die Dolmetschpraxis dazu hilfreich ist. In der Vergangenheit wurden 12 FF / Untertitel bezahlt, jetzt sind es 1,50 Euro mit einer Untergrenze von 80 Cents. Eine entscheidende Änderung ist durch die Anwendung von Softwareprogrammen für die Untertitelung eingetreten. Es gibt nun in diesem Bereich Dienstleister, die Übersetzer arbeiten lassen, wobei sowohl der Film als auch die Untertitelung und die Synchronisation mit diesen Programmen bearbeitet werden, was zu einer Verschlechterung der Qualität geführt hat. Firmen legen häufig spezielle Anforderungen in Bezug auf den sprachlichen Stil fest und geben Richtlinien vor. Drehbuchübersetzungen sind im Rahmen vernünftiger Terminvorgaben gut machbar, allerdings hat der Übersetzer mit dem Drehbuchautor kaum Kontakt. Die Fernsehprogramme („ATLAS“, „TLF“) diktieren die Preise für Übersetzungen, was zu schlechteren Bedingungen geführt hat, so dass der Übersetzerberuf ziemlich unter Druck geraten ist. Es gibt einige hundert Übersetzer in Frankreich, die sich auf diese Tätigkeit spezialisiert haben, aber nur wenige können gut davon leben. In Frankreich existiert ein Universitätslehrgang für literarische Übersetzer, welcher auch die Untertitelung umfasst, aber viele Absolventen finden keine Arbeit. Es gibt Regelungen bezüglich der Autorenrechte für Übersetzer, allerdings ist die praktische Anwendung kompliziert. Hier ist es wichtig, in Frankreich Mitglied von Verbänden zu sein. Laut einer Umfrage in Frankreich sind die Preise für diese Art von Übersetzungen seit den 1980er Jahren um 60 % (!) gesunken. Im Rahmen des Senders ARTE werden für Filme Übersetzungen aus den Sprachen Spanisch, Polnisch, Italienisch, Französisch, Englisch und Deutsch fertiggestellt.

Das folgende Referat wurde von Marie-Noelle Buisson-Lange (ATICOM), Übersetzerin in Köln und Gründungsmitglied des Réseau franco-allemand für Deutschland, zum Thema Übersetzungsvarianten des Wortes „Heimat“ mit vielen Beispielen aus dem deutschen Sprachgebrauch gehalten. Heimat ist ein besonders stark emotional geprägtes Wort und kann mit „Zuhause“, einem Ort, an dem man sich wohl und geborgen fühlt, an dem man aufgewachsen ist, beschrieben werden. Heimat hat mit dem Gefühl einer Zugehörigkeit, mit einer Identität zu tun. Es kommt auf den Zusammenhang an, wie „Heimat“ ins Französische übersetzt werden kann und ist auch abhängig von den vielen Wortzusammensetzungen wie Heimatdichter, Heimatfilm, Heimatmuseum, Heimatwerk, Heimatverein, Heimatministerium usw. Beispiele der Übersetzung ins Französische je nach Kontext: pays d’origine, mon pays, chez soi, chez nous.

Anschließend präsentierte Frank van Pernis, Schweiz, im Rahmen seines Vortrags über „Mésalliances linguistiques“ eine Liste von aktuell verwendeten, meist deutsch-englischen Wortzusammensetzungen, die unpassend,  sinnstörend bzw. auch falsch verstanden und daher auch falsch übersetzt werden können. Hier einige Beispiele: Cloud-basiert (application cloud), Eventlogistiker (logicien événementiel), gedownloaded (téléchargé), LernApp (application d’apprentissage), Releasefähigkeit (prêt pour la sortie), Motivationskiller (fait démotivant oder tueur motivé?).

Es folgte der Vortrag von Doris Grollmann (CBTI), gerichtlich beeidete Übersetzerin in Belgien, zum Thema „Wie bien ist eigentlich bien? Bauchgefühle – Unterschwelliges, Situationsbezogenes, Bildliches in der Übersetzung“. Wie hängt Sprachliches mit dem sogenannten „Bauchgefühl“ zusammen? Durch Maschinenübersetzungen ist es zu einer Vereinheitlichung der Sprache gekommen und nicht alle Wörterbücher, Informationen oder Bücher bringen eine Übersetzung weiter. Was kann es bedeuten, wenn man jemanden mit „bien“ bezeichnet? Das kann vieles sein wie z. B. tüchtig, anständig, vertrauenswürdig, ordentlich, gut aussehend, gut situiert, aus guter Familie – und ist sehr situationsbezogen. Auch der Ton macht die Musik, d. h. mit welchem Ton oder mit welcher Betonung etwas ausgesprochen wird, ändert häufig die Bedeutung des Wortes. Die „intonation“ kann man als gelebte Spracherfahrung bezeichnen, Emotionales kommt dadurch zum Ausdruck.

Nach der Mittagspause setzten Nathalie Rouanet und Françoise Guiguet, beide in Österreich lebende literarische Übersetzerinnen, mit ihrem Vortrag „Übersetzen für den Film – Drehbücher, Untertitelungen. Präsentation anhand eines TV-Filmprojekts, mit Video-Beispielen“ die Tagung fort. Es ging dabei um die sehr komplexe, umfangreiche und anspruchsvolle übersetzerische Arbeit im Rahmen eines historischen TV-Dreiteilers „Maximilian. Das Spiel von Macht und Liebe“ (Regie: Andreas Prochaska, MR-Film/ORF/ZDF 2017), welche die Vortragenden gemeinsam übernommen hatten. Dazu wurden Beispiele aus den Drehbuchübersetzungen, aus der Untertitelungsarbeit und der Betreuung des zweisprachigen Filmsets präsentiert. Anhand von kurzen Videos mit Filmsequenzen wurde die Zweisprachigkeit der Schauspieler (ein deutscher Schauspieler und seine französische Partnerin im Film) und die Synchronisation der Texte gezeigt. Die Vortragenden beschrieben den Übersetzungsprozess durch den Bezug auf kulturelle Besonderheiten wie den historischen Kontext (Ortsnamen, Eigennamen, Archaismen – der Film spielt im Mittelalter), sowie bei Problemen auf semantischer Ebene (argotische Sprache, phraseologische Redewendungen, Wortspiele, literarische Zitate usw.). Außerdem gaben sie Einblick in die verschiedenen Textarten der Filmproduktion (Exposé, Treatment, verschiedene Drehbuchfassungen) und in die Ansprüche und Herausforderungen einer Tandemarbeit. Die Übersetzungsarbeit für diesen Film erstreckte sich über mehrere Jahre.

Hier die Details zu den Übersetzerinnen:

Françoise Guiguet absolvierte ein Magisterstudium der Germanistik an der Universität Grenoble sowie einen Lehrgang für Gebrauchsgrafik an der Künstlerischen Volkshochschule in Wien. Seit 1986 selbstständig tätig als Übersetzerin, Grafikerin und Sprecherin.

Nathalie Rouanet studierte Germanistik an der Universität Toulouse, absolvierte einen European Bachelor in Marketing und promovierte an der Universität Wien (Romanistik, Germanistik). Lebt und arbeitet seit 1990 in Klosterneuburg bei Wien als Autorin und literarische Übersetzerin.

Der letzte Vortrag unserer Tagung war für Achim Braun, EU-Sprachbeauftragter, Direktion für Übersetzung, der EU-Vertretung in Wien reserviert, der seine Teilnahme jedoch aus familiären Gründen kurzfristig absagen musste. Seine Assistentin Christina Rosner hielt jedoch den Vortrag über die Sprachenvielfalt in der Europäischen Union auf der Basis der humorvoll gestalteten Powerpoint-Präsentation ihres Chefs sehr charmant und professionell. Am Beispiel Aachen, der Heimatstadt von Achim Braun, und Belgien, wurde die Berührung und teilweise auch Mischung der Sprachen Französisch und Deutsch im täglichen Sprachgebrauch und in der Werbung anhand von Beispielen aufgezeigt. Am Beginn der Entstehung der Europäischen Union stand die deutsch-französische Freundschaft und das historische Treffen zwischen De Gaulle und Adenauer. Ein Abkommen zur Sprachregelung wurde damals getroffen. Aus dem ehemaligen „Europe des six“ ist nun das Europa der 28 geworden, was alle Abläufe und Entscheidungen natürlich wesentlich schwieriger macht. Ein wichtiger Grundsatz ist in Bezug auf die Mehrsprachigkeit in der EU die „Einheit in der Vielfalt“ = „l’unité dans la diversité“. Es existiert nun eine Rechtsvorschrift unter Berücksichtigung von 24 Sprachen.

Nach dem Abschluss des Vortragsprogramms und dem Dank an alle Vortragenden präsentierte Patrick Bergen, RFA-Organisator für die Schweiz (ASTII), kurz den Tagungsort für das Treffen 2019: Fribourg. Der Termin für das Treffen wurde für 25.–27.10.2019 festgelegt.

Da Sabine Colombe, Gründungsmitglied des Réseau und Organisatorin für Frankreich, ihre Funktion als Organisatorin nun definitiv zurückgelegt hat, wurde ihr seitens der SFT und aller OganisatorInnen für ihren langjährigen Einsatz für das Réseau gedankt.

Das Abendessen zum Abschluss dieses Tages fand im Restaurant Waldviertlerhof im Zentrum der Stadt statt.

Am Sonntag, 21.10., fand vormittags eine Stadtführung zum Thema „Die Wiener Ringstraßenbauten“ statt, die sich mit der Geschichte Wiens und der Entstehung der im Stil des Historismus errichteten Prachtbauten und Palais entlang der Ringstraße beschäftigte, welche ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und bis zur Jahrhundertwende während der letzten Periode der österreichisch-ungarischen Monarchie unter Kaiser Franz Josef I entstanden (z. B. Parlament, Burgtheater, Staatsoper, Kunst- und Naturhistorisches Museum, Palais Epstein, Palais Ephrussi etc.).

Nun ein Überblick über die Führungen, die am Freitag, 19. Oktober, im Rahmenprogramm angeboten wurden:

Führung durch die „Klimtvilla“, dem letzten, noch vorhandenen Atelier des Künstlers Gustav Klimt mit Erläuterung der wechselvollen Geschichte des Hauses, das nach Klimts Tod verschiedene Eigentümer hatte und später vielfach umgebaut und vergrößert wurde:

Das ursprünglich wesentlich kleinere Haus war zur Zeit Klimts von einem riesigen Garten umgeben, der zu einem kleineren Teil noch erhalten ist.  Das erst 2017 vollständig renovierte Haus dient nun als Gedenkstätte des Malers und in einer aktuellen Ausstellung anlässlich des 100. Todestages des Künstlers wird die Situation vieler während der Zeit des Nationalsozialismus verschwundenen oder während des ersten Weltkriegs und durch Brand zerstörten Gemälde des Künstlers („Klimt lost“) dargestellt. Auch das Problem der Restitution von Gemälden wird beleuchtet (Beispiel: Restitution des berühmten Gemäldes „Adele“ an die amerikanischen Erben durch die Republik Österreich). Für die „Klimtvilla“ wurde die Einrichtung der Atelierräume mit ihrer Möblierung zu Klimts Zeiten originalgetreu nachgebaut. Diese Originaleinrichtung im Jugendstil existiert noch und wurde im Herbst 2018 in der großen Klimt-Ausstellung im Wiener Leopold-Museum ausgestellt.

Führung im Wiener Schnapsmuseum in Wien-Meidling:

Patrick Fischer, Sohn des derzeitigen Besitzers und Geschäftsführers Gerald Fischer, erläuterte uns die Geschichte des Hauses sehr humorvoll und anschaulich und führte uns durch die Räume des vor 5 Generationen gegründeten Familienunternehmens der Fruchtsaft-, Likör- und Schnapserzeugung, das vor allem während der Zeit der österreichischen Monarchie durch die Belieferung der Kronländer groß geworden war. Das einstöckige Gebäude wurde durch Bomben im 2. Weltkrieg stark zerstört, aber im ursprünglichen Stil wieder aufgebaut. In den historischen Büroräumen sind noch Einrichtungsgegenstände aus der Zeit der Monarchie zu sehen, außerdem dokumentieren viele Fotos der Familie der Firmenbesitzer die Geschichte des Unternehmens. Auch die bis vor kurzem noch verwendeten Destillierapparate waren zu sehen, wobei die Erzeugung von Schnäpsen und Likören, auch von Absinth, nun an einen anderen Standort ausgelagert wurde. Zum Abschluss war eine Verkostung mit Proben von allen Schnaps- und Likörerzeugnissen für unsere Gruppe vorbereitet.

Führung durch die Ottakringer Brauerei:

Am Freitagnachmittag stand auch unsere traditionelle Unternehmensbesichtigung auf dem Programm. Hatten wir uns vor fünf Jahren für ein Wiener Unternehmen der edlen Kunst entschieden, nämlich die Porzellanmanufaktur Augarten, haben wir diesmal die populäre Bierbrauerei Ottakring mitten im 16. Bezirk ausgesucht.
Die Brauerei Ottakring ist eine wichtige Wiener Institution und jeder kennt das Ottakringer Bier und trinkt es mit Genuss. Das Besondere ist aber, dass das Unternehmen nicht nur die Stadt nicht verlassen hat, sondern den Standort ausgebaut, die Aktivitäten und das Produktsortiment noch erweitert hat. Das Gelände in Wien ist sowohl Produktionsstätte als auch ein beliebter Ort für Eventveranstaltungen, insbesondere im historischen Teil des Geländes.
Die kompetente Führung gewährte den Besuchern einen Einblick in die Geschichte der Brauerei und erläuterte ihre außergewöhnliche Rolle in der städtischen Industrielandschaft. Wir konnten eine Menge an Terminologie sowohl zum Produktionsprozess als auch zum Material in Erfahrung bringen.
Zum Schluss der Besichtigung und in der Tradition der Wiener Gastfreundschaft hatten wir die Gelegenheit, an einer Verkostung der speziellen Ottakringer Biersorten teilzunehmen. Mehr unter https://www.ottakringerbrauerei.at/

Am gleichen Abend fand bei einem gemütlichen Wiener Heurigen, nämlich beim „Fuhrgasslhuber“ in Neustift am Walde, ein erstes Wiedersehen mit den TeilnehmerInnen des heurigen Treffens statt.

 

von Beatrix Eichinger, Carole Faux